Am 09. Juni 1948 wird André Juillard in Paris geboren.
Sein Interesse für Comics beginnt sich schon in seiner Schulzeit zu entwickeln. Das französische Spirou Magazin wirkt hierbei prägend, insbesondere die Serie Alix von Jacques Martin tut es ihm angetan. Auch andere eher in historischem Gewand angelegte Serien z. B. von Paul Cuvelier sprechen ihn an und animieren ihn zum Nachzeichnen.
Sein Talent wird zwar von den Eltern erkannt und auch gefördert, trotzdem soll er einen ehrbaren Beruf erlernen. Da sein Vater eine Veterinärpraxis in Paris betreibt, liegt der Weg zur Medizin für Andre Juillard nahe. So studiert er ab 1968 zwei Semester Medizin in Lyon, wechselt dann aber doch zum Kunststudium in Paris. Dort lernt er Jean Claude Denis (Luc Lamarc) und Martin Veyron kennen, die ihre Begeisterung zu den Comics mit ihm teilen und sich als erfolgreiche Künstler dieses Metiers verwirklichen können. Im Rahmen seines Studiums entwickelt sich Juillard zum Sammler von Comics und tritt der Gesellschaft Socerclid bei, welche Forschung und Beschäftigung der Bandes Dessineés zum Auftrag hat. In einem von Socerclid veranstalteten Zeichenseminar kann Juillard J. C. Meziers kennenlernen, der ihn auch entscheidend unterstützt und ihn mit Jije bekannt macht. André Juillard kann also auf eine Ausbildung bei den Größen der frankobelgischen Comicszene zurückblicken.
Durch die Teilnahme an einem Wettbewerb des Verlages Fleurus entsteht der Kontakt zu deren Magazin Formule 1. Juillard gewinnt zwar nicht den Wettbewerb, dies tat ein gewisser Patrick Cothias, aber er erhält im Jahr 1975 die Möglichkeit einen Western, La longue piste de loup gris, für Formule 1 zu gestalten. Daraufhin fertigt er eine Adaption von Roméo et Juliette für das ebenfalls bei Fleurus erscheinende Magazin Djin an. Claude Verrien schreibt das Szenario zu Bohémond de Saint-Gilles, welches Juillards erste längere Serie wird. Diese Abenteuerserie im Kreuzfahrermilieu macht auch erstmals die Kritiker auf ihn aufmerksam. Fast parallel zu Bohémond de Saint-Gilles zeichnet er gemeinsam mit Didier Convard die Serie Isabelle Fantourie für Djin. Die Abenteuer von Bohémond de Saint-Gilles erscheinen von 1976 bis 1982 und Isabelle Fantouri von 1976 bis 1980. Zudem produziert er mehrere Kurzgeschichten für Djin, Fripounet, Joker, Historiques, und Okapi.
1980 kommt es zu einer entscheidenden Begegnung: André Juillard und Patrick Cothias, mittlerweile schon erfolgreicher Szenarist, lernen sich in der Redaktion von Pif Gadget (der deutsche Pedant ist Yps) kennen und als Liebhaber von Mantel und Degen Abenteuern liegt es nahe, dass sie eine Serie mit ebendiesem Inhalt starten: Masquerouge (dt. Der Rote Falke; wörtlich übersetzt Die Rote Maske). Die Abenteuer der Roten Maske, alias Ariane de Troil, wird in 16 Episoden erzählt und sorgt für eine Entwicklung von Juillards Stil weg von Einflüssen anderer stilprägender Zeichner zu seinem ganz eigenen Stil. Im Jahr 1982 kommt es zur Veröffentlichung der letzten Episode des Roten Falken von Juillard und Cothias, diese hatten aber schon vorher Planungen für eine noch erwachsenere Comicserie angestellt, ihrem Meisterwerk Les 7 vies del’Epervier (dt. Die 7 Leben des Falken). Von 1982 bis 1991 erscheinen insgesamt mehr als 300 Comicseiten dieses historischen Comics um die Familie der Troils und dem französischen Königshaus um Ludwig XIII..
Fast parallel zu dem Erfolg mit Die 7 Leben des Falken erfüllt sich ein Wunsch Juillards: Er hat die Gelegenheit mit Jacques Martin zusammenzuarbeiten. So zeichnet er nach einem Szenario von Martin die Serie Arno. Hier geht es um einen jungen Musiker aus Venedig, der Napoleon Bonaparte kennenlernt und den es unter anderem nach Ägypten verschlägt. Die Serie leidet unter dem Szenario von Martin, der seine aus Serien wie Alix und L. Frank bekannten Zutaten auch hier einsetzt und so leider für inhaltliche Schwäche sorgt. Die Zeichnungen von Juillard entschädigen etwas für die doch zum Teil krude Geschichte und so endet nach drei Ausgaben die Zusammenarbeit von Juillard und Martin im Jahr 1987.
Nach Beendigung von Die 7 Leben des Falken widmet sich Juillard unter anderem Portfolios. Aus Nation-Etoile (einer der Metro-Strecken durch Paris) entwickelt er die Idee zum 1994 erscheinenden Album Le Cahier bleu (dt. Das blaue Tagebuch). Zwei Männer sehen während eines Metro-Stillstandes eine nackte junge Frau in ihrer Wohnung, beide nehmen Kontakt zu ihr auf und es entwickelt sich eine „Amour fou“, die tragisch endet. Es ist das erste Comic, indem Juillard als Zeichner und Autor fungiert. Von der Kritik wird dieser Band begeistert aufgenommen und er erhält 1995 in Angoulême den Preis für das beste Album des Jahres.
Im gleichen Jahr setzt er gemeinsam mit Cothias die Abenteuer von Ariane de Troil fort. Plume aux vents (dt. Wie eine Feder im Wind) erscheint in 4 Bänden von 1994 bis 2002 und schließt den Kreis, der mit Die 7 Leben des Falkenbegonnen wurde, auch wenn Cothias noch viele andere Nebenserien kreiert hat. Im Jahr 1996 wird Andre Juillard eine weitere besondere Ehrung zuteil: Er wird mit dem Großen Preis der Stadt Angoulême ausgezeichnet und wird Festivalpräsident für das kommende Jahr. Sicherlich ein Meilenstein für jeden europäischen Comickünstler, da man mit dieser Auszeichnung auf einer Stufe mit Größen wie Giraud, Meziers und Franquin steht.
1998 erscheint Barbe-Rouge (dt. Nach dem Regen). Dieses Album, wieder eine komplizierte Liebesgeschichte, steht in lockerer Verbindung zu den Personen des blauen Tagebuchs, wird aber kein so großer Erfolg. Kurz darauf setzt Juillard gemeinsam mit Yves Sente als Szenarist die Abenteuer von Blake und Mortimer fort. Bis heute sind vier Alben um die beiden britischen Helden und ihren Gegenspieler Olrik erschienen. Trotz aller Authentizität was den Stil von E. P. Jacobs anbelangt, bleibt Juillard eben er selbst und dies ist vor allem den Frauen anzumerken.
Seit 2006 erscheint Long voyage de Léna, eine Geschichte nach einem Szenario von P. Christin, welches Carlsen unter dem Titel Lenas Reise auf deutsch veröffentlicht. 2011 veröffentlicht Le Lombard den One-Shot Mezek, dessen Szenario von Yann stammt.
Juillard ist ein unglaublich produktiver Künstler, der nicht nur einen hohen Ausstoß an Comicseiten hat, sondern auch unzählige Illustrationen zu Romanen und auch für Magazine, Drucke, Ex-Libris und Portfolios zeichnet. In einer Mini-Serie namens Dernier Chapitre hat er sich Helden des frankobelgischen Comics vorgenommen und diese gealtert dargestellt, so z. B. Blake und Mortimer (bevor die Serie fortgeführt wurde) und den Roten Korsaren.
Über seinen Zeichenstil sagt André Juillard in einem Interview mit ARTE Kultur im Jahr 2007:
„Ich selbst bedaure es manchmal ein bisschen, dass meine Zeichnungen nicht etwas beschwingter, etwas moderner sind. Aber eine Zeichnung ist nunmal so etwas wie eine zweite Haut. Es ist sehr schwierig, einen Weg zu verlassen, den man in jahrelanger Arbeit aufgebaut hat.“
Bibliographie